Steinbutt In Season

Eat British produce when it’s at its best.

Steinbutt

Mit seinem festen weißen Fleisch zählt er zu den edelsten Plattfischen und wird von manchen völlig zu Recht als „König des Meeres“ bezeichnet, ist Clarissa Hyman überzeugt

Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ik wol will.“ Die meisten kennen wohl diese berühmten Zeilen aus Grimms Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“. Ob der arme Mann tatsächlich einen edlen Steinbutt an der Angel hatte? Wer weiß. Sicher ist: Selbst wenn der gut getarnte Plattfisch kein verwunschener Prinz wie im Märchen ist, bleibt er für viele Fischer ein ausgesprochener Glücksfang. Und für jeden Küchenchef eine absolute Delikatesse. Kein Wunder, dass der britische TV-Koch Rick Stein auf die Frage nach einem perfekten Weihnachtsgeschenk einen Steinbuttfischkessel aus dem Sortiment M’Tradition von Mauviel nannte. Die 13-Liter-Variante kostet übrigens 1365 Euro. Kein Schnäppchen, aber mit Sicherheit eines der besten Utensilien, um den Plattfisch im Ganzen zuzubereiten.

Die sogenannte rautenförmige Turbotière (Steinbutt heißt auf Französisch Turbot) gehört in vielen Küchen französischer Gourmetrestaurants zum Standard. Aber natürlich kann „Le Roi de Carême“, der König der Fastenzeit, wie er im Mittelalter genannt wurde, auch einfach auf einem Backblech gegart werden. Der Gastrosoph Jean Anthèlme Brillat-Savarin (1755– 1826) hatte schon zu seiner Zeit ein Talent, zu improvisieren, um den gigantischen Meeresbewohner auf den Tisch zu bringen: So legte er in einer etwas spartanisch eingerichteten Küche den ganzen Fisch auf einen Korb, gab gehackte Zwiebeln und Kräuter dazu, bedeckte alles mit einem Waschbottich und dämpfte den Fisch über einem Wasserkessel. Der Gourmet und seine Gäste waren von dem Resultat begeistert: Das Fleisch hatte die perfekte Konsistenz, und der Fisch hatte die Aromen wunderbar aufgenommen. Wäre die edle Zutat dagegen direkt im kochenenden Wasser gelandet, wäre von der zarten Köstlichkeit wenig übriggeblieben.

Der bis zu 20 Kilogramm schwere Plattfisch fühlt sich auf dem Meeresboden wohl und lebt gut getarnt in Küstennähe im Pazifik, dem Mittelmeer und im Atlantik bis hoch nach Norwegen. Zu den Hauptfanggebieten zählen besonders die Sandbänke in der Nordsee. Er ernährt sich von kleinen Fischen, Krebstieren und Muscheln. Seine Haut ist quasi schuppenlos, stattdessen ist seine dunklere Oberseite mit jenen charakteristischen Höckern besetzt, die an Steinchen erinnern – daher stammt übrigens auch sein Name. Die Farbe seiner Rückseite passt sich optisch dem Meeresboden an – deswegen ist er auch so schwer zu finden und zu fangen. Die Augen der meisten Butte wandern übrigens auf die linke Seite, bei Schollen und Seezungen ist es dagegen meistens die rechte. Aufgrund seiner beachtlichen Größe wirken die Augen des Steinbutts jedoch geradezu winzig.

Ja, der Edelfisch hat seinen Preis. Aber sein mageres Fleisch punktet mit einer zarten Struktur, bleibt immer saftig und hat einen dezenten, nussigen Geschmack. Ein weiterer Vorteil des diskusförmigen Speisefischs ist seine einfache Zubereitung. Egal, ob gegrillt, pochiert, gedämpft, gebraten oder scharf im Wok zubereitet – das Fleisch des Steinbutts behält immer eine angenehm feste Konsistenz. Ein Rezeptklassiker ist die Kombination von pochiertem Steinbutt mit Austern und Champagner. Aber auch mit einer Sauce Hollandaise harmoniert er hervorragend. Andere servieren ihn gerne mit Garnelen und Sahne. Auf zu kräftige Aromen sollte aber besser verzichtet werden, denn sie würden den exzellenten Geschmack einfach überdecken.

Ein wichtiger Tipp für alle Hobbyköche: Gelegentlich werden zwar Filets angeboten, allerdings sind diese oft sehr klein und stammen vielleicht sogar von einem zu „kleinen“ Exemplar. Zum Hintergrund: Die Meeresbewohner sind erst nach fünf Jahren geschlechtsreif. Und der manchmal angebotene „Baby-Steinbutt“ sollte sowohl aus ökologischer als auch kulinarischer Sicht besser gemieden werden. Davon einmal abgesehen, ist die Verarbeitung von Steaks mit Gräte perfekt. Sie eigenen sich hervorragend zum Grillen und müssen während des Garens lediglich regelmäßig mit etwas Butter beträufelt werden. Das Geheimnis eines perfekt zubereiteten Steinbutts ist relativ simpel: Er darf einfach nicht zu lange gegart werden. Sobald sein Fleisch nicht mehr durchsichtig ist und es sich leicht mit einer Gabel von der Gräte lösen lässt, heißt es: Bon Appétit!

Als eine besondere Delikatesse gelten unter Feinschmeckern übrigens die Flossen des Fisches. Die berühmteste Kochbuchautorin Englands, Isabella Mary Beeton (1836–1865), vielen besser bekannt als Mrs. Beeton, veröffentlichte dazu eine interessante Anekdote in ihrem Bestseller The Book of Household Management: Ein Bischof beobachtete seinen Koch genau bei der Zubereitung eines Steinbutts und sah, wie dieser die Flossen einfach abschnitt. Er soll sie dann selbst wieder an den Fisch angenäht haben. Einfach, weil er um diese gallertartige Köstlichkeit Bescheid wusste.

Aber zurück in die heutige Zeit: Die Wildbestände haben enorm abgenommen – etwa wegen des Temperaturanstiegs in der Nordsee. Exemplare aus dem Fang mit Bodenstell- oder Grundschleppnetzen werden kritisiert, da durch die Methode die Ökosysteme am Meeresboden gefährdet sind. Und bei der Zucht werden die Fische mit Fischmehl gefüttert. Aber es gibt eine Ausnahme: In einem deutschen Wehrmachtsbunker vor der britischen Insel Jersey zieht Nick Fisher den angeblich beste Steinbutt groß. Wir sparen dann mal für einen wirklich guten Wasserkessel…

Wit and Wisdom

  • Der Grönland-Heilbutt oder Schwarze Heilbutt gehört nicht zur Familie der Steinbutte.
  • Erst mit fünf Jahren ist der Steinbutt geschlechtsreif.
  • Das Weibchen, der Rogner, trägt je nach Körpergröße 10 bis 15 Millionen Eier.
  • Die Larven schwimmen erst aufrecht und wandern mit einer Größe von 2,5 Zentimetern auf den Grund.
  • Die Karkassen sind perfekt für einen Fond.
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