Harte Schale, feiner Kern – und dazu so simpel in der Zubereitung. Trotzdem sind manchen Hobby-Köchen Muscheln immer noch suspekt. Zu Unrecht, findet Clarissa Hyman
Recipes
Muschel-Safran-Risotto
Vietnamesische Muscheln in gelbem Curry mit Pommes frites
Muscheln mit Pisto und knusprigen Krümeln
Wir Deutschen halten manchmal schon sehr gern an Regeln fest – selbst wenn sie als längst überholt gelten: Die wagen Behauptungen, Muscheln dürften nur in den sogenannten „R“-Monaten gegessen werden, ist längst überholt. Früher hielten sich die Menschen an diese Vorgabe, da einfach die Kühlmöglichkeit für die empfindlichen Weichtiere in den warmen Monaten von Mai bis August schlechter waren. Heute gilt: Natürlich können Muscheln das ganze Jahr gegessen werden. Allerdings sind einige Feinschmecker überzeugt, dass ihre Qualität von September bis April generell besser sei. In den Sommermonaten haben sie Laichzeit und werden dadurch magerer.
Der französische Küchenklassiker <em<Moules marinière</em> (Miesmuscheln auf Matrosenart) ist auch in Deutschland beliebt. Dafür werden die Muscheln – eben ganz einfach – in einem köstlichen Sud aus Weißwein, Kräutern, Gewürzen, Knoblauch und Schalotten gegart. In England, Belgien, den Niederlanden und der Normandie serviert man sie mit Pommes Frites. Bei uns reicht einigen schon ein leckeres Baguette dazu. Auch in einer spanischen Paella sind Muscheln unverzichtbar. Und manche lieben auch die in Essig eingelegte Variante. Wie man die Schalentiere allerdings mit viel Masala würzen oder in Sahnesaucen kochen kann, ist eher unverständlich. Vielleicht liegt es daran, dass sich einige unsicher sind, ob sie Muscheln wirklich gefahrlos essen können.
Mit dem vorgekochten und in Vakuum verpackten Angebot aus dem Supermarkt is(s)t man natürlich auf der sicheren Seite. Geschmacklich sind sie aber nicht mit der frischen Ware vom Fischhändler zu vergleichen. Hier gilt aber auch für mich folgende Regel: Sind die rohen Muscheln nicht geschlossen und schließen sich auch nicht, wenn auf die Schale geklopft wird, werden sie entsorgt.
Öffnen sich die Muscheln dagegen nach dem Kochen nicht, können sie trotzdem genießbar sein: Der Meeresbiologe Nick Ruello entdeckte, dass sich 11,5 Prozent der Muscheln während des Garens nicht öffnen. Eine Untersuchung dieser angeblichen Ausschussware ergab, dass sie zu 100 Prozent gar waren und somit auch ohne Bedenken verzehrt werden können. Ich halte mich an einen Tipp vom Fischmarkt in Sydney: Gegarte, noch geschlossene Muscheln werden aufgebrochen, und wenn sie angenehm riechen, auch gegessen. Was ebenfalls für die frische Ware spricht: Auch im Fachgeschäft kosten sie kein Vermögen. Dazu sind Muscheln nicht nur sehr nahrhaft, sondern auch ausgesprochen vielseitig. Ob klassisch zubereitet, in asiatischen Gerichten oder mit mediterranen Aromen wie Tomaten oder Sardellen – die Weichtiere sind Küchen-Allrounder.
Die wohl typischste Zubereitung ist die folgende Methode: Die Muscheln unter kaltem Wasser abschrubben – manche nehmen dabei eine harte Bürste zur Hilfe. Dann die „Bärte“ (die Byssusfäden) mit den Fingern oder einem Messer entfernen, die Muscheln anschließend in einen großen Topf mit wenig Flüssigkeit geben, Deckel darauf und wenige Minuten warten. Der Dampf sorgt dafür, dass die Muscheln garen und sich öffnen. Und wie werden sie anschließend am besten gegessen? Die Empfehlung des englischen Food-Autors Alan Davidson lautet: „Die erste Muschel wird mit einer Gabel aus der Schale gezogen. Anschließend nimmt man die leere Schale und verwendet sie für die weiteren Muscheln wie eine Zange, um an das Fleisch zu kommen.“ Sein Tipp für das passende Getränk ist übrigens ein helles oder untergäriges Bier.
Muscheln werden lebend gekauft – am besten sollte man darüber aber nicht zu viel nachdenken. In der Natur findet man sie an den Felsen in Küstennähe, an denen sie sich mit ihren Byssusfäden festhalten. Bei der Zucht gedeihen sie an Seilen und Netzen. In der Bretagne und Normandie werden sie auch heute noch traditionell auf Holzpfählen angebaut. Es gibt Untersuchungen, nach denen ihre Zucht sich positiv auf das marine Ökosystem auswirkt. Am weitesten verbreitet sind Miesmuscheln, auch Pfahlmuscheln genannt (Mytilus edulis), und neuseeländisch-pazifische GrünlippMuscheln (Perna canaliculus). Typisch für die Miesmuscheln ist ihre fast schwarze Schale mit einer blau gefärbten Lippe. Grünlipp-Muscheln sind dagegen größer und haben ein etwas härteres Fleisch. Die Ernte erfolgt dann per Hand oder mit einem speziellen Hydrauliksystem.
Einmal abgesehen von ihrem guten Geschmack, punkten Muscheln mit reichlich positiven Eigenschaften: Sie sollen die Gehirnfunktion unterstützen und gegen Arthritis helfen, denn sie enthalten einige wichtige Vitamine sowie Zink, Eisen und Folsäure. Haben Sie das gewusst? Nur 15 Muscheln liefern dieselbe Menge Eiweiß wie ein 175 Gramm großes Steak – nur haben sie eben weniger gesättigtes Fett und sind deshalb gesünder.
Lecker, gesund und auch noch gut für das Ökosystem – das klingt nach einem maritimen Superfood.
Wit and Wisdom
- Die Fäden ihrer Bärte sind so stark, dass sie sich sogar an einer Teflonoberfläche festhalten könnten.
- Für die Augenchirurgie wurde ein Klebstoff auf Muschelbasis entwickelt.
- Es gibt männliche und weibliche Muscheln; weißfleischige sind eher männlich, orangefarbene eher weiblich.
- Perlen werden in den weniger verbreiteten Süßwassermuscheln gefunden.
- Miesmuschel stammt vom mittelhochdeutschen „Mies“ (Moos), da ihre Füße „bemoost“ aussehen.
- Fangmethode: Zucht am Seil, Bouchot/Pfahl, ausgebaggert/ „gedredgt“, von Hand
- Fanggebiete: Nordostatlantik bis Nordamerika sowie Indopazifik-Region
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